Personalauswahl in Frankreich: Einstellungsverfahren im Detail

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Frankreich ist für viele Deutsche nicht nur ein reizvolles Urlaubsziel, immer mehr Bundesbürger versuchen auch beruflich in der Grande Nation Fuß zu fassen. Bei der Personalauswahl treten allerdings einige Unterschiede zwischen den beiden Ländern deutlich zutage. Wer in Sachen Karriere in einem französischen Umfeld reüssieren will, ist gut beraten, diesen Beachtung zu schenken.

Personalauswahl in Frankreich: Erforderliche Bewerbungsdokumente

Neben dem Lebenslauf, der in thematischer oder tabellarischer Form verfasst werden kann, ist das Motivationsschreiben (lettre de motivation) das wichtigste Bewerbungsdokument. Zeugnisse, Arbeitszeugnisse, Diplome und dergleichen werden zu Beginn nicht benötigt, sondern werden bei Bedarf vom Unternehmen angefordert. Ihr Lebenslauf sollte nicht nur den beruflichen Werdegang skizzieren, sondern deutlich machen, dass Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen optimal zu den Anforderungen der angestrebten Stelle passen. Wichtig ist, die Frage zu beantworten, warum Ihre bisherigen Ausbildungen und Erfahrungen wichtig für die Stelle sind, für die Sie sich bewerben. Das Motivationsschreiben sollte grundsätzlich eine Seitenlänge nicht überschreiten. Gedanklich gliedert es sich in drei Bereiche:

  • In der Einleitung gilt es zu präzisieren, wie Sie auf die Stelle aufmerksam wurden.
  • Der Hauptteil beschreibt Ihre Eignung für die ausgeschriebene Position sowie die Gründe, warum das Unternehmen und der Job für Sie attraktiv sind.
  • Bisherige Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse sollten kurz und prägnant umrissen werden und vor allem erläutert werden, warum diese zum Unternehmen und der Position passen. Emotionen sind hier gefragt, begeistern und überzeugen Sie.
  • Den Schluss bilden die Bitte nach einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und eine höfliche Grußformel.

Das Vorstellungsgespräch

Wer zu einem Vorstellungsgespräch geladen wird, hat schon mal die erste Hürde geschafft. In Frankreich sind drei Arten von Interviews üblich: Einzelinterviews, Gruppengespräche oder Interviews mit mehreren Personalverantwortlichen, wobei dem persönlichen Einzelinterview grundsätzlich der Vorzug gegeben wird. Pünktlichkeit und ein selbstbewusstes, seriöses Auftreten sind ein absolutes Muss. Meist erfolgt ein kurzer Smalltalk als Eisbrecher. Im Laufe des Gesprächs wird Sie der Recruiter direkt auf Ihre bisherigen Tätigkeiten ansprechen und nach Aufgaben, Ergebnissen und dergleichen fragen. Auch Ihre beruflichen Visionen sowie die Gründe für Ihre Bewerbung werden wahrscheinlich nochmals zur Sprache kommen. Wenn Sie am Ende die Möglichkeit zum Fragenstellen bekommen, sollten Sie diese gut vorbereitet nutzen.

Fragen Sie nach Informationen über das Unternehmen, die Sie noch nirgends entnehmen konnten, nach der Organisation der Abteilung und durchaus auch nach Ihrem Vorgänger und den Gründen für seinen Abgang.

Worauf französische Personalchefs im Vorstellungsgespräch achten

Französische Personalchefs messen der Persönlichkeit eines Bewerbers mehr Bedeutung bei als ihre deutschen Kollegen. Natürlichkeit, Höflichkeit und Selbstbewusstsein sind hier gefragt. Die Recruiter wollen spüren, dass Sie voll und ganz am Unternehmen und dem angestrebten Job interessiert sind. Nicht gerne gehört wird, dass Sie sich gleichzeitig bei einer größeren Anzahl an Unternehmen beworben haben. Wer es nicht schafft, Begeisterung und lebhaftes Interesse an dem Job überzeugend zu vermitteln, hat schon verloren. Es wird auch erwartet, dass Bewerber Interesse am Unternehmen zeigen und diesbezügliche Fragen stellen, die sich nicht nur um Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten drehen.

Kritik am Unternehmen oder Zweifel an Ihrer Eignung sind ein absolutes Tabu, ein Lächeln, eine offene und natürliche Körpersprache und aufmerksames Zuhören sind hingegen nie fehl am Platz. Französische Arbeitgeber erwarten von ihren Mitarbeitern eine hohe Flexibilität. Es lohnt sich, diese bereits unter Beweis zu stellen, indem man sich bei der Findung eines Termins für das Vorstellungsgespräch flexibel zeigt. Auch das persönliche Engagement wird sehr hoch bewertet, Initiativbewerbungen sind durchaus üblich und aussichtsreich. In Frankreich wird er Allgemeinbildung ein deutlich höherer Stellenwert zugewiesen als in Deutschland. Speziell wenn Sie sich um eine Führungsposition beworben haben, sollten Sie mit einem entsprechenden Test rechnen. Generell aber werden im Bewerbungsgespräch gerne Fragen gestellt, die die Allgemeinbildung testen.

personal frankreich

Aleksandr Davydov/123RF.COM

Außerdem sind in Frankreich Individualisten mit Ecken und Kanten gefragt, welche im Bewerbungsgespräch durchaus gezeigt werden dürfen. Teamfähigkeit hat hingegen einen deutlich niedrigeren Stellenwert als in Deutschland. Dafür wird erwartet, dass Mitarbeiter mit Druck umgehen können und sich von hochgesteckten Zielen nicht entmutigen lassen. Je höher die Position, desto wahrscheinlicher ist es, dass beispielsweise im Rahmen eines Assessment Centers die Fähigkeit, unter Druck zu arbeiten bzw. Entscheidungen zu treffen, getestet wird. Zeigen Sie ruhig positiven Ehrgeiz, diese Eigenschaft steht in Frankreich hoch im Kurs.

Personalauswahl in Frankreich: Ungewohnte Methoden

Als Deutscher ist man schon mal überrascht, wenn im Zuge des Bewerbungsverfahrens ein Aufsatz über ein philosophisches Thema verlangt wird. In Frankreich ist es aber wichtig, dass Bewerber die Fähigkeit haben, ihre Gedanken klar und strukturiert zu Papier zu bringen und eigene Ideen überzeugend zu präsentieren. Je höher die Position, umso stärker tritt die Persönlichkeit in den Vordergrund und umso mehr werden Allgemeinbildung und die Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen, gefragt. In Deutschland schon längst aus der Mode gekommen, sind in Frankreich graphologische Gutachten durchaus noch üblich. Mutet diese Methode hierzulande eher unseriös und hellseherisch an, messen ihr französische Personalchefs immer noch Bedeutung bei, um Einblicke in den Charakter eines Bewerbers zu bekommen.

Besonders wer sich als Führungskraft bewirbt, muss durchaus damit rechnen, dass sein Aufsatz auch graphologisch analysiert wird.

Was Sie im französischen Arbeitsalltag erwartet

Wer von Deutschland einen kompromissbereiten Führungsstil gewohnt ist und Teamdiskussionen erwartet, sollte sich davon in Frankreich besser verabschieden. Teambuilding-Events finden so gut wie gar nicht statt, die Franzosen sind erziehungsbedingte Individualisten, die es gewohnt sind, fordernde Aufgaben allein zu bewältigen und ihre eigenen kreativen Wege zur Zielerreichung zu finden. Dabei handeln sie so, wie sie es für richtig erachten. Bei aller Individualität findet sich in Frankreich aber auch ein ausgeprägtes Hierarchie-Verständnis. Der Chef ist Chef. Punkt. Er trifft Entscheidungen oftmals im Alleingang und sein Wort gilt. Von den Mitarbeitern wird erwartet, dass sie sich ins Hierarchiegefüge eingliedern und auch entsprechend unterordnen können.

Auch wer gewohnt ist, sich in kniffligen Fachfragen an den Vorgesetzten zu wenden, muss in Frankreich lernen, eine eigene Lösung zu finden. Werden deutsche Führungskräfte meist aufgrund ihrer soliden Fachkenntnis und ihrer sozialen Kompetenz ausgewählt, zählen in Frankreich Charisma, Brillanz und Durchsetzungsvermögen weit mehr. Bei unseren französischen Nachbarn gehört es zu den Kernaufgaben einer Führungskraft, ihr Team durch Charisma und hochgesteckte Ziele zu Höchstleistungen anzuspornen. Die Mitarbeiter sind gewohnt, mit hohem Druck umzugehen, beinah unerreichbare Ziele wirken eher motivierend als demotivierend.

Unterschiede bei der Personalauswahl zu Deutschland

Deutsche Arbeitnehmer schätzen klare Regeln und eine saubere Planung, durch welche Probleme möglichst antizipiert werden. Auch in diesem Punkt zeigen sich deutliche Unterschiede zu den Franzosen. Regeln werden als grobe Richtlinien angesehen und Probleme dann hemdsärmelig gelöst, wenn sie da sind. Für ihre erbrachte Leistung und Originalität erwarten Mitarbeiter in Frankreich Anerkennung. Diese kann durchaus in Form von Privilegien erfolgen, welche in der Grande Nation als erstrebenswert gelten, während man ihnen in Deutschland eher mit Skepsis gegenübertritt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Arbeitnehmer mit Frankreich mit ausgeprägtem Individualismus, eigenständigem und an hohen Zielen orientiertem Arbeiten, Sinn für Hierarchien, Ehrgeiz und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen punkten.

 

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