Welche Möglichkeiten gibt es in Deutschland gegen Gerichtsurteile?

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Wer nicht ständig mit den Gerichten in Deutschland zu tun hat, könnte meinen, das Urteil eines Richters ist endgültig und unabwendbar. Doch in der Praxis bietet die deutsche Rechtslage unterschiedliche Möglichkeiten, um gegen ein entsprechendes Urteil vorzugehen. Die folgenden Rechtsmittel kommen dabei in der Praxis häufig zum Einsatz und versprechen bei entsprechend guter Vorbereitung gute Erfolgsaussichten.

Berufung und Revision

Wer mit dem Urteil eines Amtsgerichtes nicht einverstanden ist, kann dagegen innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils Berufung einlegen. Bei der Berufungsverhandlung wird das Strafverfahren noch einmal neu aufgerollt. Alle Zeugen werden noch einmal angehört und alle Beweise müssen erneut eingebracht werden. Eine Revision muss ebenfalls innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung vom Verurteilten oder seinem Verteidiger eingebracht werden. Sie ist neben der Berufung das zweite mögliche Rechtsmittel, um die Rechtskraft eines Strafurteils zu hemmen. Dabei handelt es sich allerdings um die letzte Möglichkeit, die Strafe noch abzuwenden oder zumindest abzuschwächen. Im Gegensatz zur Berufung kommt es hier zu keinem gänzlich neuen Verfahren, sondern nur zu einer Prüfung des Revisionsgerichts auf mögliche Verfahrensfehler.

Wiederaufnahmeverfahren – die allerletzte rechtliche Möglichkeit

Bei einem Wiederaufnahmeverfahren handelt es sich im deutschen Strafprozessrecht häufig um das letzte Rechtsmittel, um ein rechtskräftig gewordenes Urteil noch anzugreifen. Durch eine erfolgreiche Wiederaufnahme wird das Verfahren unter Berücksichtigung des jeweiligen Grundes, der im Antrag dafür angegeben wurde, neu verhandelt. Von der einfachen Strafmilderung bis zur kompletten Einstellung des Verfahrens oder einem Freispruch liegt hier alles im Rahmen des Möglichen. Ganz selten erfolgt ein Freispruch sogar ohne erneute Hauptverhandlung.

Rund drei Prozent der in Deutschland angestrengten Wiederaufnahmeverfahren sind von Erfolg gekrönt. Damit liegt die Erfolgsaussicht deutlich niedriger als bei einer Berufung oder einer Revision. Der Grund dafür ist jedoch, dass sich viele Verurteilte nicht gut auf dieses Verfahren vorbereiten. Beispielsweise ist es in diesem Fall empfehlenswert, den Rechtsbeistand zu wechseln und auf einen Experten zurückzugreifen, der mit den Tücken dieser Verfahrensart bestens vertraut ist. Für das Wiederaufnahmeverfahren gibt es zwar keine Fristen, die beachtet werden müssen. Dafür sind die Gründe dafür in der Strafprozessordnung normiert. Beispiele dafür sind unter anderem falsche Aussagen unter Eid oder gefälschte Beweismittel.

Einspruch und Beschwerde

Die Entscheidung eines Amtsgerichtes gilt als sogenannter Strafbefehl. Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung wird daraus ein Strafurteil, wenn dagegen kein Einspruch eingelegt wird. Wer also gegen sei Urteil vorgehen möchte, muss unbedingt darauf achten, den Einspruch rechtzeitig einzubringen. Der Einspruch muss sich nicht auf das vollständige Urteil beziehen, sondern kann auch nur die Höhe oder die Anzahl der verhängten Tagsätze einer Geldstrafe betreffen.

Wer in einem Strafverfahren verurteilt wurde oder einen Strafbefehl erhalten hat, kann diese Entscheidung auch durch eine Beschwerde anfechten. Die sogenannte „einfache Beschwerde“ gegen richterliche Beschlüsse kann dabei jederzeit eingebracht werden. Eine „sofortige Beschwerde“ – beispielsweise gegen die Kostenentscheidung des Gerichts – muss hingegen innerhalb einer Woche erfolgen. Anders als bei der Berufung und der Revision wird die Rechtskraft dabei allerdings nicht gehemmt. Das bedeutet, das Urteil wird auch bei einer Beschwerde entsprechend vollstreckt. Über die Beschwerde entscheidet im Normalfall das nächsthöhere Gericht, sofern der Richter selbst der Beschwerde nicht „abhilft“.

Gnade vor Recht

„Gnade geht vor Recht“ lautet eine altdeutsche Weisheit und sie hat teilweise im deutschen Recht noch immer ihre Gültigkeit. In den meisten deutschen Bundesländern gibt es sogenannte Gnadenordnungen, in denen die gesetzlichen Regelungen zum Gnadengesuch enthalten sind. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Gnade. In der Praxis wird dem Gesuch jedoch oftmals stattgegeben, wenn die jeweilige Person ein großes Maß an Reue zeigt oder sich im Zuge des Strafvollzugs entsprechend vorbildlich verhält.

In einzelnen Härtefällen werden Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Beispielsweise einer Mutter in Bayern, die zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten wegen wiederholten Betruges verurteilt wurde, ist es gelungen, die Strafe in eine Bewährungsstrafe umzuwandeln. Sie konnte durch eine ärztliche Stellungnahme belegen, dass ihr zwei Jahre altes Kind an Diabetes erkrankt ist und nur sie als Mutter dazu in der Lage ist, ihrem Kind die entsprechenden Medikamente zu verabreichen. Auf der Ebene der Bundesländer ist die jeweils definierte Gnadenstelle für die Bearbeitung der Anträge zuständig. Auf Bundesebene entscheidet der Bundespräsident persönlich über den Antrag. Das war zum Beispiel bei RAF-Terrorist Christian Klar im Jahr 2007 der Fall. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler lehnte das Gnadengesuch allerdings ab.

 

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