Sortimentspolitik: Definition, Strategie und Zielsetzung

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Die Sortimentspolitik umfasst alle Entscheidungen eines Handelsbetriebes im Zusammenhang mit der Dimensionierung, Strukturierung und Anpassung des Sortiments. Sie entspricht begrifflich der Programmpolitik von Produktionsbetrieben, besitzt jedoch spezifische Problemfelder und Gestaltungsprinzipien aufgrund der Eigenarten von Handelssortimenten.

Stellung der Sortimentspolitik im Marketing-Mix

Die Sortimentspolitik ist Teil des gesamten Handelsmarketing, das außer der Sortimentspolitik noch über die Instrumentalbereiche Marktforscung, Standort, Preispolitik und Profilmarketing (Kommunikationspolitik, Servicepolitik und Ladengestaltung) verfügt. Die Integration der Sortimentspolitik in den Verbund aller Marketinginstrumente hat zur Folge, dass der Entscheidungsspielraum der Sortimentspolitik begrenzt ist.

Eigenarten des Sortiments

Das Sortiment eines Handelsunternehmens lässt sich im Wesentlichen durch zwei Feststellungen charakterisieren:

  1. Jeder Artikel eines Sortiments wird durch den Verbund mit allen anderen geführten Artikeln aufgewertet. Denn der Verbraucher kann, wenn ihm ein Sortiment angeboten wird, zwischen unterschiedlichen Substitutionsartikeln wählen, was freilich für den einzelnen Artikel sowohl eine positive als auch eine negative Kaufentscheidung bedeuten kann. Ferner kann der Verbraucher in einem Vorgang Komplementärartikel kaufen, wird vielleicht durch eine sinnvolle Warenpräsentation erst darauf aufmerksam gemacht, dass es zu einem bestimmten Artikel auch komplementäre Artikel gibt, was Verbund- und Impulskäufe induziert.
  2. Zwischen den einzelnen Artikeln eines Sortiments besteht ein unter Umständen hoch komplexer Sortimentsverbund, was zur Folge hat, dass Entscheidungen über einen Artikel (Streichung, Neuaufnahme, Preisveränderungen) auch bei anderen Artikeln Auswirkungen zeigen können. Dieser Umstand macht die Sortimentspolitik schwierig und in ihren Auswirkungen schwer berechenbar.

Ziele der Sortimentspolitik

Die Sortimentspolitik hat die folgenden Ziele anzustreben:

  • Ein Sortiment muss sowohl die bestehende als auch die noch zu schaffende Nachfrage der Verbraucher befriedigen. Sortimentspolitik muss also in Kooperation mit den Herstellern auch neue Märkte schaffen. Die Werbung muss diese Fähigkeit des Sortiments dem Verbraucher erklären.
  • Est muss aktuell gehalten werden, muss durch Fluktuation der Artikel, Neuaufnahme wie auch Streichung, Leben bekommen. Stagnation führt sehr schnell zum Sortimentsverschleiß.
  • Es muss Kundenfrequenz schaffen, was nur gelingt, wenn es sich an der Nachfrage der Verbraucher orientiert und aktuell ist.
  • Es muss eine übersichtliche und sinnvolle Struktur erhalten, die es dem Verbraucher erleichtert, das Sortiment zu lernen. Sonst findet er sich bei der meist sehr großen Zahl der Artikel nicht zurecht.
  • Es muss eine akquisitorische Wirkung entfalten, muss Kaufentscheidungen fördern oder gar provozieren. Das gelingt nur, wenn es aktuell, strukturiert und attraktiv präsentiert ist.
  • Esmuss die Wettbewerbsfähigkeit und Ertragsstärke eines Handelsunternehmens sichern.

Gestaltungsalternativen der Sortimentspolitik

Die konventionellen Gestaltungsalternativen sind primär produktorientiert und betreffen folgende Kriterien:

(1) Warencharakter

Gestaltungsmerkmal kann einmal das Material sein, aus dem die Artikel bestehen (Lederwaren, Textilien, Eisenwaren). Es kann aber auch nach der Verarbeitung unterschieden werden (Frischwaren, Konserven, Backwaren, Fleisch- und Wurstwaren im Lebensmittelhandel; Stoffe, Fertigkleidung im Textilhandel). Oder es wird nach der Herkunft unterschieden (Binnenware, Importware). Die Gestaltung eines Sortiments nach dem Warencharakter ist die älteste Gestaltungsalternative, die zum Teil auch durch die Zunftgliederung des Mittelalters geprägt wurde, in der es einen weitaus umfangreicheren Handwerkshandel gab als in der Gegenwart.

Sie prägt bis heute das Selbstverständnis vieler Händler einer Branche, behindert aber auch nicht selten die dynamische Sortimentsanpassung. Neueren Datums ist die Gliederung nach der Lebens- oder Nutzungsdauer der Artikel, aus der sich zwangsläufig der Einkaufsrhythmus ergibt. Es wird unterschieden in kurz-, mittel- und langfristige Nutzungsdauer und einen entsprechenden Einkaufsrhythmus.

(2) Sortimentsumfang

Ein Sortiment kann breit oder schmal, tief oder flach und mächtig oder nicht mächtig sein.

Nach den marketingorientierten Gestaltungsalternativen können die Artikel eines Sortimentes wie folgt gegliedert werden:

  • Marketingträger: Marketingträger können die Industrie (Markenartikel), aber auch der Handel sein (Handelsmarken).
  • Andienungsform: Sie entspricht dem Problemgehalt der Artikel. Es stehen die Bedienung, die Selbstbedienung, die lose Selbstbedienung (vor allem im Lebensmitteleinzelhandel) und die Discountselbstbedienung im Einzelhandel zur Verfügung. Im Groß- und Versandhandel erfolgt die Andienung durch Katalog, Ordersatz, Telefon, Fernsehen.
  • Markenintensität: Sie steht in engem Zusammenhang mit der Andienungsform. Problemvolle Artikel erfordern eine hohe Marketingintensität und somit auch hohe Handelsleistung. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Marketingintensität, Andienungsform und Vertriebsform.
  • Zielgruppen: Die Verbraucher lassen sich in eine Vielzahl von Zielgruppen gliedern, was auch im Handel durch entsprechende Zielgruppensortimente zunehmend zum Ansatzpunkt spezifischer Sortimentskonzepte genutzt wird.
  • Preislagen: Meist stehen hohe, mittlere und niedrige Preislagen als Alternativen zur Verfügung. Die Preislage hängt einerseits stark von der Qualität des Artikels ab. Sie wird aber auch wesentlich von der erbrachten Handelsleistung beeinflusst. Ein Artikel einer bestimmten Qualität kann in Bedienung mehr als in Selbstbedienung kosten. In der Regel hat eine Preislage eine gewisse Spannbreite für die Preise der in ihr positionierten Artikel. Man kann diese Spannbreite auf Null reduzieren und erhält dann eine Einheitspreisliste.

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Betriebswirtschaftlich- und beschaffungsorientierte Gestaltungsalternativen

(1) Betriebswirtschaftliche Gestaltung

Ein Sortiment kann in Kalkulationsgruppen gegliedert werden, was die Ertragslage transparenter macht. Vergleicht man die Umsatzanteile und die Anteile der einzelnen Kalkulationsgruppen am Rohgewinn, so wird der Beitrag der einzelnen Sortimentsbereiche zum Unternehmensergebnis deutlich sichtbar. Wird die Spannbreite einer Kalkulationsgruppe auf Null reduziert, ist man wieder bei der Preislinie.

(2) Beschaffungsorientierte Gestaltung

Man kann sich vielleicht mit Exklusivvertrag für einen oder mehrere Lieferanten entscheiden. Diese Entscheidung ist durchaus für die Kosten von erheblicher Bedeutung.

Strategien der Sortimentspolitik

Die Gestaltungsalternativen sind die Bestandteile einer Sortimentsstrategie, für die sich ein Handelsunternehmen entscheidet.

Produktorientierte Strategien

  • Branchensortiment: Eine altbewährte Strategie, die auch heute noch vor allem von Fachgeschäften auf höherem Niveau oft angewandt wird.
  • Branchenübergreifendes Sortiment: Diese Strategie wurde von den Warenhäusern Ende des 19. Jahrhunderts erstmals angewendet. Wenn man ein Sortiment nach der Nutzungsdauer der geführten Artikel, damit nach dem Einkaufsrhythmus und der Kundenfrequenz gestaltet, wird man zwangsläufig zu einem branchenübergreifenden Sortiment kommen.
  • Bedarfsgruppenorientiertes Sortiment: Diese Strategie steht zwischen dem Branchen- und dem branchenübergreifenden Sortiment. Bedarfsgruppen lassen sich sowohl innerhalb eines Branchensortiments als auch branchenübergreifend aufbauen.
  • Strategien für den Umfang des Sortiments: Sehr enge Beziehungen bestehen zwischen breit und flach und schmal und tief. Die Mächtigkeit bezieht sich auf die Stückzahl pro geführten Artikel. Häufig nachgefragte Artikel haben eine größere Mächtigkeit als schwach nachgefragte Artikel.

Marketingorientierte Strategien

  • Vertriebsformenhomogenes Sortiment: Es werden nur Artikel einer Kategorie hinsichtlich Problemgehalt und damit Marketingintensität geführt. Vertriebsformenhomogen sind eindeutig das hochqualifizierte Fachgeschäft mit problemvollen Artikeln in Bedienung und der Discounter mit problemlosen Artikeln in einfachster Selbstbedienung.
  • Vertriebsformenheterogenes Sortiment: Der traditionelle Lebensmittelhandel führt solche vertriebsformenheterogenen Sortimente, die sehr schwer zu beherrschen sind. Zum einen ist die Mischkalkulation nicht völlig auszuschließen. Zum anderen stehen Unternehmen mit vertriebsformenheterogenen Sortimenten zwischen Fachgeschäft und Discount, was ihre Positionierung im Markt und ihre Profilierung erschwert.

Marketingträgerorientierte Strategien

  • Man kann sich ausschließlich für Markenartikel, für Handelsmarken oder für markenlose Artikel entscheiden. Alle drei Strategien hat es in dieser rigorosen Form schon gegeben. In der Praxis herrschen allerdings Mischformen vor.

Zielgruppenorientierte Strategien

  • Man kann sich für eine oder für mehrere Zielgruppen entscheiden. Die Entscheidung für nur eine Zielgruppe kann zum schmalen und tiefen Fachgeschäftssortiment, beschränkt auf eine Branche führen. Der Entscheidung für mehrere Zielgruppen entspricht dagegen sehr oft ein breites und flaches, branchenübergreifendes Sortiment.

Preislagenorientierte Strategien

  • Die Entscheidung kann für eine Preislage (Discounter) bis hin zu einer Preislinie (eine theoretische Strategie) fallen oder für mehrere Preislagen, unter Umständen auch Preislinien. Preislagenpluralismus ist die Regel.

Betriebswirtschaftlich-/ beschaffungsorientierte Strategien

(1) Kalkulationsorientierte Strategien

Es kann für eine oder für mehrere Kalkulationsgruppen entschieden werden. Diese Entscheidung wird oft sehr stark von der Entscheidung über die Preislagen abhängen.

(2) Beschaffungsorientierte Strategien

Es kann für einen oder für mehrere Lieferanten entschieden werden. Ein einziger Lieferant kommt höchst selten vor, mehrere Lieferanten sind die Regel. Unter Lieferant muss hier der Hersteller verstanden werden. Bei den Handelsgruppen des Lebensmittelhandels ist es die Regel, dass zumindest das sogenannte Trockensortiment von einer Stelle, nämlich vom Großhandelsunternehmen der Gruppe, bezogen wird. Dieser Sachverhalt ist hier nicht als Entscheidung für einen Lieferanten anzusehen.

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