Nutzwertanalyse: Ein vielfältiges Entscheidungsinstrument

0

Das Ziel einer Nutzwertanalyse (NWA) (engl. multi-criteria analysis) besteht darin, eine Menge von Alternativen im Hinblick auf ein Zielsystem zu ordnen (Mehrzielverfahren). Im Verkehrsbereich wird die KWA vor allem im Rahmen der Verkehrsinfrastrukturplanung neben der Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) und der KOstenwirksamkeitsanalyse (KWA) als ein alternatives Verfahren zur Bewertung von Verkehrsinfrastrukturprojekten angewendet. Ausgangspunkt ist wie bei der KNA die aus der Wirkungsanalyse abgeleitete Zielergebnismatrix.

Im Unterschied zur KNA wird aber nicht versucht, die unterschiedlichen Zielergebnisse mit Hilfe eines monetären Indikators gleichnamig zu machen. Vielmehr werden Methoden der allgemeinen Entscheidungstheorie angewendet, um zu einer Rangfolge der Alternativen zu gelangen. Der Vergleich der Alternativen lässt sich auf Basis nominaler, ordinaler oder kardinaler Skalen durchführen.

Nutzwertanalyse: Definition

Die Nutzwertanalyse ist eine Planungsmethode zur systematischen Entscheidungsvorbereitung bei der Auswahl von Projektalternativen. Sie analysiert eine Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck, die einzelnen Alternativen entsprechend den Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines mehrdimensionalen Zielsystems zu ordnen.

Nominale Skalierung

Bei nominaler Skalierung werden die Alternativen aufgrund ihrer Zielergebnisse bestimmten Klassen zugeordnet, etwa „gut“ oder „schlecht“. Beispielsweise kann für jedes Ziel ein Mindestkriterium formuliert und geprüft werden, ob eine Alternative dieses Mindestkriterium erreicht. Auf dieser Grundlage lassen sich lexikographische Auswahlprozeduren aufbauen (zum Beispiel Ordnung der Ziele nach ihrer Bedeutung und sukzessives Abtesten der Mindestkriterien, beginnend mit dem wichtigsten Ziel und fortgesetzt für die Ziele mit geringerer Bedeutung), die eine interaktive Kommunikation mit dem Anwender möglich machen, um die beste Alternative herauszufiltern.

Ordinale Skalierung

Bei ordinaler Skalierung werden paarweise Vergleiche zwischen den Alternativen durchgeführt, die mit den Urteilen „besser“, „schlechter“ oder „gleich“ verbunden sind. Da eine Zusammenfassung von ordinal skalierten Ergebnissen leicht zur Intransitivität der Ordnung führen kann (sog. Arrowsches Paradoxon), werden häufig zusätzliche Elemente in die Auswahlprozedur eingefügt, wie die Gewichtung der Ziele oder Maße für die Stärke von Akzeptanz oder Ablehnung. Ein Beispiel für solche Vorgehensweisen liefert die ELECTRE-Metode von Roy, die Konkordanz- und Diskordanzmaße aus paarweisen Vergleichen ableitet und in einer aggegierten Lösungsmatrix zusammenfasst, aus der die Rangordnungen der Alternativen abgelesen werden können.

Eine andere Vorgehensweise besteht darin, einen politischen Abstimmungsprozess zu simulieren. Hier wird angenommen, dass hinter jedem Zielbereich eine gesellschaftliche Gruppe gleicher Stärke steht, so dass diejenige Alternative gewinnt, welche die „Stimmenmehrheit“ erhält, also die übrigen Alternativen hinsichtlich der Zielergebnisse am häufigsten dominiert (Majoritätsregel).

Kardinale Skalierung

Bei kardinalen Skalierungen wird unterstellt, dass die Bewertungszahlen über die Urteile „besser“, „schlechter“ oder „gleich“ hinaus auch Urteilsunterschiede in Form von Differenzen oder Quotienten zulassen. Kardinale Maße drücken also nicht nur die Überlegenheit einer Alternative aus, sondern geben auch ein Maß für den Abstand zwischen den Alternativen an. Die Kardinalität lässt damit eine große Zahl unterschiedlicher Bewertungsprozeduren zu.

Nutzwertanalyse: Die Zielsetzung

Das Ziel der Nutzwertanalyse ist, herauszufinden wie groß der Nutzwert einer bestimmten Maßnahme oder eines Projekts ist, um eine Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird der Gesamtnutzen der einzelnen Alternativen ermittelt. Anschließend werden die Alternativen nach ihrem Gesamtnutzen geordnet, und die Alternative mit dem größten Nutzwert wird zur Projektverwirklichung ausgewählt.

Vorgehensweise

  • (1) Problemstellung

Im ersten Schritt wird die Problemstellung definiert.

  • (2) Zielsystem aufstellen

Anschließend wird ein Zielsystem nach dem oben vorgestellten Verfahren erstellt und bis auf die Ebene der Kriterien konkretisiert. Mit den Bewertungskriterien sollen die Alternativen beschrieben werden. Das Zielsystem wird gewichtet, das heißt, dass den einzelnen Oberzielen, Unterzielen und Kriterien je nach ihrer Bedeutung unterschiedlich viele Punkte zugeteilt werden. Die Summe der Punkte muss immer 100 ergeben. Die Bewertungskriterien können auch vom Planer oder Politiker vorgeschlagen und bestimmt werden.

Exkurs: Zielbaumerstellung

Die Zielbaummethode dient der Feststellung und Zuordnung von Zielen und Subzielen hinsichtlich ihrer relativen Bedeutung zueinander beziehungsweise untereinander. Erstrebt wird eine Hierarchisierung der verschiedenen Ziele. Damit soll auch eine bessere Kommunikation zwischen Entscheidern, Planern, Kontrolleuren und zwischen Planern selbst und die Verdeutlichung der Alternativen erreicht werden. Obwohl noch keine direkte Bewertung der Ziele vorgenommen wird, birgt der Vorgang des Hierarchisierens deutliche Wertungen in sich. Da sie jedoch explizit werden, steht die Zuordnung der Ziele wie der oft alternativen Subziele zur Diskussion und Disposition.

Ein Zielbaum lässt sich charakterisieren als eine bestimmte Anzahl von Zielebenen, wobei die jeweils nachgeordnete Ebene auch als mögliche Alternative oder notwendige Vorbedingung zur Erreichung der übergeordneten angesehen werden kann. Entweder schließen sich Subziele aus (alternative Subziele) oder sie müssen zu bestimmten „Beiträgen“ erreicht werden, damit das Oberziel realisiert wird. Die Ziele werden von oben nach unten gesehen mit zunehmender Stufenzahl immer detaillierter und spezieller. Es wird jedoch auch vorkommen, dass auf einer niedrigen Stufe identische Subziele gefunden werden, insbesondere wenn die Struktur nur als verästelt und nicht auch als vernetzt dargestellt wird.

Jede Alternative ist dann nur auf ein Subziel bezogen, die gleichen Alternativen können aber mehrmals auftreten. Ein entwickelter Zielbaum kann als die zielgerichtete Systematisierung der Aktivitätsmöglichkeiten unterschiedlichen Allgemeinheitsgrades aus einem bestimmten Bereich angesehen werden.

nutzwertanalyse beispiel

© fotolia.com – boonchok

Anmerkungen zur Leistungsfähigkeit

Die Zielbaummethode ist besonders geeignet für die systematische Zuordnung von Zielen in hierarchischer Form. Dabei können auf übergeordneten Ebenen Interdependenzen zwischen Zielen höherer Ebenen erfasst und auf nachgeordneten Ebenen Zielidentitäten ermittelt werden. Potentielle Zielkonflikte lassen sich leichter feststellen. Die einem Problembereich innewohnenden Schwierigkeiten soweit sie in Zielen ausdrückbar sind werden verdeutlicht. Das Denken in Alternativen und das Erkennen von Varianten wird gefördert. Nachteilig kann sich der „Zwang“ zum formalen Anordnen auswirken. Ein letztes Unterziel wird noch zu finden versucht, um die Ausgewogenheit des Zielbaums zu sichern.

Bei umfangreichen Planungsvorhaben wird der Zielbaum unter Umständen unübersichtlich. Die Subjektivität der Zielanordnung muss problematisierbar bleiben.

  • (3) Alternativen festlegen

Entsprechend der Problemstellung sind die zu bewertenden Alternativen festzulegen. Die Auswahl der Alternativen erfolgt kriterienorientiert.

  • (4) Nutzenfunktionen festlegen

Es muss für jedes Kriterium ein Optimum- und ein Pessimumwert festgelegt werden.

  • (5) Ermittlung der Zielerträge

Es wird festgestellt, in welchem Maße jedes einzelne Bewertungskriterium von den Alternativen erfüllt wird.

  • (6) Transformation der Zielerträge in Zielerfüllungsgrade

Um die in verschiedenen Maßeinheiten und unterschiedlichen Dimensionen gemessenen Zielerträge mit einander vergleichen und zu einem Nutzwert zusammenfassen zu können, werden diese in Zielerfüllungsgrade umgewandelt. Zu diesem Zweck muss man die Zielerträge auf einer einfachen Punkte-Skala abbilden.

  • (7) Bildung der Teilnutzen

Die Teilnutzen werden gebildet, indem man die Zielerfüllungsgrade mit den entsprechenden Gewichten der einzelnen Kriterien multipliziert.

  • (8) Wertsynthese, Gesamtnutzwert bilden

Der Gesamtnutzwert je Alternative wird gebildet, indem man die Teilnutzen addiert.

  • (9) Ordnen der Alternativen

Als letzter Schritt werden die Alternativen mit Hilfe der Gesamtnutzwerte geordnet. Diejenige Alternative, die den höchsten Gesamtnutzwert ausweist, wird zur Projektverwirklichung ausgewählt.

Beispiel

Es ist eine einfache Nutzwertanalyse durch Gewichtung der Ziele und Bewertung der Maßnahmen hinsichtlich ihrer Zielwirksamkeit anzufertigen. Punktbewertung 0-10 (10 am positivsten, besten, günstigsten). Zielgewichte: Summe der Zielgewichte muss 1 ergeben.

Fall

Übergeordnetes Ziel: allseitige Entwicklung der Stadt L. Zu gewichtende Ziele (Z)/zu bewertende Maßnahmen (M).

  • Z 1) Verkehrsanbindung
  • M 1) Umgehungsstraße
  • M 2) Ortsdurchfahrt verbreitern

  • Z 2) Wirtschaftsförderung
  • M 3) Gewerbeparks schaffen
  • M 4) Steuererleichterungen

  • Z 3) Umweltschutz
  • M 5) Belastung Lärm/Luft reduzieren
  • M 6) Belastung mit Schmutzwasser konstant halten

Lösungsskizze

  • Ziele Ziel 1 Ziel 2 Ziel 3 Summe der Rangfolge
    Nutzwert-
    Zielgewichte 0,2 0,3 0,5 punkte
  • Maßnahmen Wert- Nutz- Wert- Nutz- Wert- Nutz-
    punkte wert punkte wert punkte wert
  • M 1 5 1,0 7 2,1 6 3,0 6,1 1
    M 2 3 0,6 5 1,5 3 1,5 3,6 3
    M 3 0 0 8 2,4 1 0,5 2,9 5
    M 4 0 0 7 2,1 0 0 2,1 6
    M 5 0 0 0 0 7 3,5 3,5 4
    M 6 0 0 0 0 8 4,0 4,0 2

Leistungsfähigkeit der Nutzwertanalyse

Es handelt sich um das wohl angemessenste Verfahren zur Einschätzung der Zielwirksamkeit (des Zielbeitrags) einer Maßnahme, trotz der subjektiven Komponenten, die jedoch offengelegt und deswegen kontrollierbar werden (Erhöhung der Transparenz). Die erforderliche Maßnahmenbewertung zwingt unter Umständen zu weiteren Analysen, mindestens zur Explizierung der Beurteilung. Die Möglichkeit, auch die politische, ökonomische Durchsetzbarkeit in die Analyse einzubeziehen, erhöht den praktischen Wert der Methode deutlich: die Auswahl zwischen alternativen Projekten/Programmen wird erleichtert. Die Subjektivität des Bewertungsverfahrens ist ein gewisser Mangel, desgleichen sind die Bewertungs- und Rechenregeln problematisierbar.

Es sollte immer klargestellt werden, warum eine bestimmte Vorgehensweise gewählt beziehungsweise, dass nach dem üblichen Verfahren gearbeitet wurde. Manche Maßnahmen sind von vornherein ungeeignet um bestimmte Ziele zu erreichen. Je nach Gewichtungskonstellation können sich hieraus zusätzliche Fehler ergeben.

About Author