Inflation: Welche Werkzeuge Staaten prinzipiell zur Verfügung stehen

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Etwas Inflation ist gut, weil dann ein optimales Verhältnis aus Investitionen und Konsumwillen besteht. Wenn die Inflationsrate – wie aktuell – jedoch zweistellig wird, haben Staaten, deren Wirtschaft und Einwohner, ein riesiges Problem, das sich überdies ohne weiteres Handeln ständig selbst verstärkt und verschärft. Doch wie lässt es sich gegensteuern?

Hohe Inflation: Die Nachteile im Überblick

Inflation bedeutet letztlich einen Kaufkraftverlust. Davon ausgehend entsteht bei einer zu hohen Inflationsrate (nach EZB-Definition jenseits von 2 Prozent) eine komplex verwobene Prozesskette, die nur Nachteile mit sich bringt:

  • Da die Preise steigen, müssen die Löhne es ebenfalls tun.
  • Das jedoch zieht Preissteigerungen bei den produzierten Gütern nach sich – eine Lohn-Preis-Spirale.
  • Geschieht das, kommt bei höheren Inflationsraten Angst vor weiteren Preissteigerungen auf. Zunächst steigen deshalb die Ausgaben, um Güter noch zum „alten Preis“ zu bekommen.
  • Diese Nachfrageerhöhung resultiert jedoch wiederum in einer Angebotsverknappung und somit weiter steigenden Preisen
  • Die kurzfristige Ausgabenneigung sowie die allgemeine Geldentwertung reduzieren die Kaufkraft von Erspartem. Das erhöht die Ausgabenlust und somit die Geldmenge im Umlauf weiter. Ferner erfolgt eine Flucht in Sachwerte.
  • Dadurch können Banken weniger Kredite vergeben, was wiederum die Investitionstätigkeit von Unternehmen hemmt und somit der Wirtschaft schadet.

Ab einem gewissen Punkt kommt es hierbei zu selbstverstärkenden Effekten, die sich kaum noch kontrollieren lassen. Die hierzulande schlimmste Inflation im Jahr 1923 zeigt dies in aller Deutlichkeit. Die einzigen, die von einer hohen Inflation profitieren, sind Schuldner mit langfristig festgelegten Zinsraten. Durch den Kaufkraftverlust schwindet ihre Last umso stärker, je höher die Inflation steigt – allerdings macht sich dieser Effekt erst jenseits von 10 bis 12 Prozent Inflationsrate wirklich bemerkbar.

Alle anderen haben dagegen nur Nachteile. Denn Löhne können selten mit dem Kaufkraftverlust Schritt halten. Dadurch leidet die Gesamtwirtschaft, weil die Konsumenten sich langfristig zurückhalten, wenn der erste „Kaufschub“ wieder abgeebbt ist. Um wieder eine Deflation zu erzielen, stehen prinzipiell vier Obergruppen von Maßnahmen zur Verfügung. Innerhalb dieser finden sich verschiedene Optionen. Kern der meisten Bestrebungen ist es, die im Umlauf befindliche Geldmenge so weit zu reduzieren, wie es die Inflationsrate diktiert.

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1. Maßnahmen der Zentralbanken

In den meisten Ländern übernimmt eine Zentralbank die Steuerung der großmaßstäblichen fiskalischen Ströme. Sie stellt deshalb eine der wichtigsten Schaltzentralen dar, um Inflation zu bekämpfen.

Mindestreservepolitik: Hierbei werden Finanzinstitute (etwa Geschäftsbanken) verpflichtet, einen relativ hohen Anteil ihrer (Kunden-)Einlagen bei der Zentralbank zu hinterlegen. Dadurch entnimmt die Zentralbank Geld aus dem Wirtschaftskreislauf – die Banken und ähnlichen Institute haben schließlich durch die Maßnahme weniger Geld zur Verfügung, das sie als Kredite vergeben können.

Offenmarktgeschäfte: Die Zentralbank veräußert bislang gehaltene Wertpapiere. Hierfür stehen verschiedene Herangehensweisen zur Verfügung. Immer jedoch wird durch den Verkauf abermals Geld aus dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Weniger verfügbares Geld ist stets gleichbedeutend mit einer deflationären Politik.

Verschleierungen: Keine angeratene Option, aber dennoch der Vollständigkeit halber erwähnungsbedürftig. Theoretisch haben Zentralbanken verschiedene Möglichkeiten, das Ausmaß einer Inflation zu verschleiern. Eine neuzeitliche, technische Herangehensweise könnte etwa Central Bank Digital Currencies beinhalten – von Zentralbanken herausgegebene Digitalwährungen ähnlich wie frei gehandelte Kryptowährungen. Da diese auf geschlossenen Blockchains abgelegt werden können, wären sie einem öffentlichen Einblick entzogen. Ferner könnten Zentralbanken (theoretisch) direkt auf die Geldmenge von Verbrauchern zugreifen und deren Ausgabefähigkeit steuern – mit entsprechend katastrophalen politischen Folgen.

Ständige Fazilitäten: Hierbei können Zentralbanken Gelder sehr kurzfristig verleihen und durch die Menge sowie Zinsgestaltung Einfluss ausüben.

2. Maßnahmen der Staaten (allgemein)

Staaten als Hauptakteure stellen neben den Zentralbanken die wichtigsten Organe dar, um die Geldpolitik aktiv zu beeinflussen. Aufgrund dessen sind drei der vier Maßnahmen hauptsächlich staatlicher Natur, teilweise allerdings mit den Zentralbanken verwoben. Sie beginnen mit allgemeinen Optionen, die hauptsächlich das Handeln des Staats beziehungsweise einer Regierung selbst betreffen.

Kontraktive Fiskalpolitik: Strenggenommen handelt es sich hierbei um eine der angesprochenen Maßnahmen, die mit den Zentralbanken verwoben sind. Da allerdings meist Staaten selbst Art und Umfang bestimmen, während die Zentralbanken nur das umsetzende Organ sind, erfolgt eine Einordnung hier. Ein bekanntes Werkzeug besteht darin, die Leitzinsen zu erhöhen.

Einerseits wird dadurch die Neigung zur Aufnahme von Krediten gesenkt, andererseits werden die durch die Inflation reduzierten Sparanreize wieder erhöht. In der Folge sinkt die Geldmenge im Umlauf. Dies ist der direkte Grund, warum die EZB jüngst die Leitzinsen nach einer sehr langen Niedrigperiode wieder angehoben hat.

Ausgabenreduktion: Durch die frei gestaltbaren Steuereinnahmen können Staaten sehr hohe Ausgaben stemmen – wodurch sie in einer Inflation zu einem Teil des Problems werden können. Insbesondere, wenn Staatsausgaben durch Kredite finanziert werden, dann wird die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht. Ergo reduziert der Staat einerseits seine Kreditaufnahmen, andererseits hält er Gelder absichtlich zurück.

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3. Maßnahmen der Staaten (monetärer Natur)

In vielen Fällen zeigen alle bislang erläuterten Maßnahmen bereits eine Wirkung. Sie gehören deshalb zu den üblichen Werkzeugen, die auch in der jetzigen Inflation angewendet werden, respektive sinnvoll zur Verfügung stehen.

Wenn allerdings eine Inflation nicht ohne Weiteres zu bremsen ist, muss der Staat buchstäblich „größere Geschütze“ auffahren. Allen nun folgenden Maßnahmen ist gemein, dass sie länger und stärker wirken, aber mitunter selbst Nachteile verursachen können, die recht stark wiegen können.

Bargeldvernichtung: In der heutigen Zeit spielt Papier- und Münzgeld zwar nicht mehr eine so große Rolle wie noch vor einigen Jahren. Schuld ist die massiv gestiegene Natur von unbaren Zahlungsmitteln. Dennoch stellt das im Umlauf befindliche physische Geld eine gigantische Menge dar, das sich in der Eurozone mit jedem Jahr deutlich gesteigert hat.

Im August 2022 etwa waren zirka 1,53 Billionen Bargeld-Euros im Umlauf. Kommen noch die Sichteinlagen der Nichtbanken hinzu, so betrug die Geldmenge M1im gleichen Zeitraum sogar 11,7 Billionen Euro.

Bei einer Bargeldvernichtung wird namensgetreu gehandelt: Der Staat zieht das Bargeld nach verschiedenen Systemen ein. Entweder wird es dann eingelagert oder tatsächlich durch Schreddern, Verbrennen et cetera vernichtet.

Repo-Zinssatz-Erhöhung: Das grundsätzliche Prinzip besteht in Käufen von Wertpapieren aus den Händen von Geschäftsbanken, wobei die Zentralbank als Käufer auftritt. Beim Kauf wird ein fester Rückkauf durch die Geschäftsbank vereinbart. In der Praxis hat das System deshalb den Charakter eines Kredits, für den die Geschäftsbank einen Zinssatz in Höhe X bezahlt – der Repo-Zinssatz.

Je höher die Zentralbank diesen Zinssatz ausgestaltet, desto höher werden die Zinssätze, zu denen die Geschäftsbank das über diese Transaktion geliehene Geld als eigenen Kredit weiterverleihen kann. Ergo ist die Repo-Erhöhung ebenfalls eine Möglichkeit, die Geldmenge zu verringern.

Verbrauchsteuererhöhungen: Um eine Inflation zu bekämpfen, möchte der Staat prinzipiell mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben. Um das zu erzielen, könnte er die Verbrauchsteuern erhöhen oder auf weitere Produkte ausdehnen – vorzugsweise solche, die besonders stark an der Inflation beteiligt sind.

4. Maßnahmen der Staaten (nichtmonetärer Natur)

Wenn selbst diese Herangehensweisen keine vollständige Wirkung entfalten können, dann geraten Staaten in eine Situation, in der nur noch Maßnahmen verbleiben, die zumindest in demokratischen Marktwirtschaften schwere politische Sprengkraft beinhalten. Denn immer ist es nun nötig, Schritte zu gehen, die empfindlich in die Freiheit der Bürger und der Wirtschaft eingreifen.

Preiskontrollen: Der Staat stellt zunächst eine Liste von bestimmten Gütern und Dienstleistungen zusammen. Welche, unterliegt seiner Verantwortung. Beispielsweise könnte dafür der Inhalt des aktuellen Warenkorbes genutzt werden – oder nur bestimmte, als relevant erachtete Teile davon.

Für die daraus bestimmten Güter setzt der Staat nun entweder einen generellen Preis fest oder er definiert lediglich eine Minimal-Maximal-Preisspanne, zu denen diese Güter und Dienstleistungen gehandelt werden dürfen. Typischerweise würde letzteres genutzt, da es eine weniger scharfe Maßnahme darstellt. In der Folge werden sämtliche Preissteigerungen in diesem Segment unterbunden. Der Nachteil: Mitunter bildet sich ein vom Staat nicht kontrollierbarer Schwarzmarkt. In der geschichtlichen Praxis waren deshalb Preisstopps in Demokratien bislang zeitlich deutlich limitiert.

Lohnfestsetzungen: Steigende Löhne können eine Inflation weiter befeuern, da sie es den Verbrauchern ermöglichen, Kostensteigerungen mitzumachen – und somit wiederum ein Anreiz gegeben ist, überhaupt die Preise anzuheben. Eine Lohnfestsetzung oder Lohnstopp definiert schlicht, wie hoch Löhne sein dürfen.

Wie dramatisch eine solche Maßnahme ist, zeigt die Seltenheit ihres Einsatzes in Deutschland: Bislang wurde ein Lohnstopp nur im „Dritten Reich“ praktiziert. Er wurde in West- und Ostdeutschland nach dem Krieg noch einige wenige Jahre beibehalten und dann aufgrund seiner sehr abschreckenden Wirkung rasch wieder aufgehoben.

Boden- und Immobilienmarktkontrolle: Immobilie Güter stellen in Inflationen einen typischen Sachwert dar, in den sich Menschen flüchten, um ihre Ersparnisse zu erhalten. Im Verlauf kann jedoch die Nachfrageerhöhung zu Preisanstiegen führen und deshalb selbst die Inflation weiter befeuern.

Um gegenzusteuern, greift der Staat deshalb in diese Märkte ein. Beispielsweise könnte er den Handel mit Boden untersagen oder es bestimmten Personengruppen verbieten, Immobilien zu erwerben. Etwa Personen, die bereits Häuser besitzen.

Eine weitere Verschärfung dieser Maßnahme wäre es, die Beschränkungen auf weitere private Güter auszudehnen – in Demokratien allerdings nur eine theoretische Option.

 

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