Anzeigen wegen Sexualdelikten nehmen zu, doch nicht immer zu Recht

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Die Gesellschaft ist gegenüber sexuellen Übergriffen im Laufe der Jahrzehnte immer sensibler geworden. Was früher noch als Macho-Gehabe abgetan wurde, ist heute inakzeptabel. Sei es Mobbing oder anzügliche Gesten. Und Dinge, die früher noch als Kavaliersdelikte durchgingen, sind heute konkrete Straftaten im Sinne von Sexualdelikten. Eine begrüßenswerte Entwicklung!

Jedoch bleibt ein Dilemma leider nahezu ungebrochen bestehen: Gerade wenn es um schwere Sexualdelikte (wie Vergewaltigungen) geht, steht letztlich oftmals Aussage gegen Aussage, da es an forensischen Beweisen und somit zweifelsfreier Evidenz fehlt. Die Verurteilungsquoten sind notorisch niedrig; die öffentlichkeitswirksamen Stigmata für behauptete sowie tatsächliche Opfer und Täter sind indes jeweils enorm und mittlerweile auch stark politisiert. Die geringen Aufklärungsquoten sind frappierend.

Im jährlichen Schnitt sind es nahezu regelmäßig weniger als 10% aller Fälle, in denen die Anzeige einer Vergewaltigung auch zu einer Verurteilung führt. Und das liegt nur in rund einem Fünftel aller Fälle daran, dass eine Anzeige gegen Unbekannt erfolgt. Denn wie wir heute wissen, erfolgen die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs und von Vergewaltigungen im nahen Umfeld der Opfer. Doch ungeachtet dessen, dass in rund vier von fünf Verhandlungen ein konkreter Angeklagter bzw. eine konkrete Angeklagte vorliegen, sind die Aufklärungsquoten meist unter zehn Prozent. Der Rest ist und bleibt ominöse Dunkelziffer. Ein Spannungsfeld, in dem leider auch Falschanschuldigungen auf fruchtbaren Boden fallen können.

Wie oft Falschanschuldigungen vorkommen, kann niemand genau sagen

Oftmals wird die Gefahr von Falschbeschuldigungen in gegenwärtigen Publikationen aus Presse und Funk undifferenziert heruntergespielt. Es wird darauf verwiesen, dass Falschanschuldigungen extrem selten wären und im Grunde genommen nur von drei Personengruppen ausgehen würden:

  • Teenagerinnen, die eine ungewollte Schwangerschaft erklären möchten und sich dabei in Anschuldigungen verrennen, deren Konsequenzen sie wohl unterschätzen oder in Kauf nehmen.
  • Psychisch kranke Täter und Täterinnen, die sich Geltung verschaffen oder Rache an jemandem üben wollen.
  • Betrüger*innen, die sich durch falsche Bezichtigung und forensische Inszenierung (was jedoch sehr schwer ist) ein Urteil zu ihren Gunsten erschleichen wollen.

Ein Pressebericht lies sich gar dazu hinreißen, zu deklarieren, dass die Chance bei Falschanschuldigungen abseits dieser genannten Stereotypen „gegen null“ ginge. Eine leichtfertige Behauptung! Dies mögen vielleicht die überschaubaren Personenkreise sein, bei denen typischerweise eine entsprechende Falschbeschuldigung rechtswirksam ans Licht kommt. Doch daraus zu schließen, dass es keine anderen geben kann, ist vollkommen haltlos. Würde das jemand mit Blick auf die geringen Verurteilungsquoten von unter 10 % bei den Vergewaltigungsprozessen behaupten („90 % der behaupteten Vergewaltigungen fanden folglich nie statt!“), würde man diese Person vermutlich teeren und federn.

Dabei spielt sich beides – erfolglose aber nicht erwiesene Falschbeschuldigungen einerseits sowie nicht erwiesene aber tatsächlich geschehene Vergewaltigungen andererseits – im selben (enormen) Dunkelfeld ab!

Das grundsätzliche Dilemma

Wie will man eine Falschanschuldigung von einer authentischen Anschuldigung unterscheiden, die wegen Mangel an Beweisen zu keinem Ergebnis führt? Es liegt in der Natur der Sache, dass Falschanschuldigungen – so bei diesen nicht übereifrig versucht wird, Beweise zu inszenieren – kaum bewiesen werden können. Sofern sich jemand als Opfer inszenieren will und diese Absicht nicht in irgendeiner Art und Weise dokumentiert oder kommuniziert, gibt es in aller Regel einfach nichts Verwertbares, was die Falschanschuldigung als solche beweisen könnte. Denn eine Falschanschuldigung, so ihr keine fingierten „Beweise“ folgen, ist nichts weiter als eine Absicht. Und eine Absicht kann man nicht beweisen, sofern sie nicht frei heraus zugegeben wird.

Wer mit einer entsprechenden Falschanschuldigung konfrontiert wird, sieht sich einem enormen Stigma ausgesetzt. Opfern von sexueller Gewalt wird verständlicherweise mit großer Sympathie begegnet, wohingegen beschuldigte Täter große Antipathie erfahren. Gerade sozial sowie beruflich kann es enorme Auswirkungen haben, wenn man entsprechend als „Täter“ gebrandmarkt wird. Zwar ist es eher unwahrscheinlich, dass man verurteilt wird – gemessen daran, wie niedrig die Verurteilungsquoten bei Vergewaltigungen allgemein sind.

Doch der Schaden, den der eigene Ruf auch im Zuge eines im Sand verlaufenen Verfahrens nehmen kann, ist potenziell immens. Betroffene sollten sich hierzu beraten lassen, wenn sie mit entsprechenden Anschuldigungen konfrontiert werden, um schnell und öffentlichkeitswirksam gegenzulenken! Wer wahrhaft unschuldig ist, sollte die Gerichtsverhandlung selber erzwingen. Denn manchmal ist das in der Tat das Letzte, was die Unrecht bezichtigenden Personen überhaupt wollen.

 

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